Influencer-Marketing und Politik – wie weit dürfen Creators gehen?
Content Creators thematisieren auf ihren Social-Media-Plattformen zunehmend auch Politik. Das beste und bekannteste Beispiel dafür ist wohl Rezos YouTube-Video „Die Zerstörung der CDU“, in dem er seine politische Meinung teilt und die Partei nicht gerade gut wegkommt. Auch das Interview von LeFloid und der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde millionenfach geklickt. Doch sobald Influencer beginnen, politische Werbung zu machen oder sich für eine Partei zu engagieren, kann das Ganze zu einer schwierigen Gratwanderung werden.
Das sagen die Gesetze
In den sozialen Netzwerken ist die Grenze zwischen der freien Meinungsäußerung und unzulässiger Werbung ziemlich schmal. Überschreiten Content Creators diese virtuelle Demarkationslinie, kann es gut sein, dass sie Post von den Landesmedienanstalten bekommen. Das sind die Aufsichtsbehörden für Telemedien, Radio- und Fernsehprogramme. Sie entscheiden, ob es sich bei den Ausführungen um eine Meinungsäußerung, die durch Art. 5 des Grundgesetzes gedeckt ist, oder bereits um unzulässige Werbung handelt. Ist Letzteres der Fall, muss der oder die Betroffene ein Bußgeld zahlen. Ist die Behörde noch nicht sicher, muss der oder die Betroffene erstmal einen Anhörungsbogen ausfüllen, damit sie feststellen kann, ob die Äußerung eine werbliche Botschaft beinhaltet oder nicht.
Die gesetzliche Grundlage dafür ist im Medienstaatsvertrag (MStV), der bis 2020 als Rundfunkstaatsvertrag bekannt war, zu finden.
- 8 Abs.9 S.1 MStV: Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist unzulässig.
Dieser Paragraf hat sich ursprünglich nur auf Fernsehen und Radio bezogen, aber nicht auf Instagram, YouTube oder andere soziale Netzwerke. Durch die Umwandlung in den Medienstaatsvertrag sind seit 2020 auch soziale Medien und deren Umgang mit Werbebotschaften Inhalt der Gesetze.
- 8 Abs.3 MStV: Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.
Mit diesem Paragrafen wird der Anwendungsbereich auf Social Media erweitert. Dadurch ist politische Werbung auch auf Instagram und Co. verboten.
Die Medienanstalten haben einen Leitfaden zur Werbekennzeichnung erstellt, aus welchem ebenfalls hervorgeht, dass politische Werbung in Online-Medien nicht erlaubt ist. Eine Ausnahme bilden statische Inhalte, also reine Bild- und Textveröffentlichungen, wenn diese zu Beginn deutlich darauf hinweisen, in wessen Interesse der Content erstellt wurde. Als Kennzeichnung eignen sich Zusätze wie „finanziert durch“ oder „Werbung“. Bei reinen Bildbeiträgen ohne Text ist ein deutlich sichtbarer grafischer Hinweis im Bild erforderlich. Eine undeutliche, kleine oder in transparenter Schrift gehaltene Kennzeichnung reicht nicht aus. In Video- und Audiobeiträgen ist politische Werbung gänzlich verboten.
Die wichtigsten Leitlinien mit der entsprechenden Kennzeichnungsmatrix sollten Influencer in jedem Fall kennen, um das Risiko von Abmahnungen oder gar Geldstrafen zu minimieren.
Influencer-Marketing: Meinung oder Werbung?
Aber wann genau gilt eine Aussage als unzulässige Werbung? Um diese Frage zu beantworten, muss erstmal zwischen der zulässigen Meinungsäußerung und der unzulässigen Werbung unterschieden werden.
Erhält der Influencer eine Gegenleistung für seine Äußerung, wie zum Beispiel eine Vergütung, stellt die Äußerung als Werbung. Das ist ebenfalls der Fall, wenn Content Creators mit ihren Aussagen die politische Willensbildung anderer beeinflussen möchten, egal ob sie eine Partei schlecht reden oder besonders positiv hervorheben. Wenn die Äußerung des Autors hingegen auf Fakten basiert, gilt sie als Meinung, welche durch das Gesetz der Meinungsfreiheit zulässig ist.
Manche Fälle sind jedoch nicht eindeutig. Es kommt beispielsweise vor, dass Influencer Einladungen zu Parteiveranstaltungen erhalten, um sich dort ein eigenes Bild von den politischen Organisationen zu machen. Das klingt zunächst unverfänglich, doch problematisch wird es schon, wenn bereits die Reisekosten übernommen werden. Denn dann erwartet die Partei im Zweifel irgendeine Art von positiver Berichterstattung über sich selbst als Gegenleistung. In solchen Situationen sollten sich Influencer gut überlegen, ob sie das wollen. Wenn sie sich dafür entscheiden, solch eine Einladung oder andere Formen der Zusammenarbeit anzunehmen, sollten sie dies unbedingt transparent machen.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist es nicht immer ratsam, mit Politikern oder Parteien zusammenzuarbeiten. Denn wenn sich jemand öffentlich zu politischen oder religiösen Fragen äußert, kann das die Menschen häufig aufreiben und regt sie zu Diskussionen an, sodass es zu Konflikten kommen kann. Dadurch besteht die Gefahr, Follower oder auch Werbepartner zu verlieren. In letzter Zeit ist es jedoch zur neuen Normalität geworden, mit provozierenden Aussagen eine Diskussion auszulösen. Der Ausgang ist dabei allerdings risikobehaftet und selten vorhersehbar.
Politisch – aber nicht parteiisch
Trotz dessen kann es vorteilhaft sein, wenn sich Influencer mit politischen Themen beschäftigen und ihrer Community wichtige Botschaften vermitteln, zum Beispiel zu Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz. Dabei kommt es jedoch darauf an, WIE sie so etwas kommunizieren. Am besten ist es wohl, wenn sie ihre Community einfach auf diese Themen aufmerksam machen, ohne für irgendwen zu werben. Beispielsweise indem sie etwas sagen wie: „Hey, das sind meine Botschaften und Werte, hinter denen ich stehe und für die ich mich einsetzen möchte. Wenn ihr das ähnlich seht, dann sucht euch doch mal eine Partei, die eure Werte vertritt.“
So tragen Influencer dazu bei, dass sich ihre Follower mit politischen Themen auseinandersetzen und sich eine eigene Meinung bilden. Und das ist durchaus wichtig. Denn so können Influencer dafür sorgen, dass sich mehr Menschen für politische Themen interessieren und sich folglich mehr Menschen an den Wahlen beteiligen. Hier ist nur wichtig: Influencer können politisch sein, aber nicht parteiisch.
Vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren hat das politische Themenfeld in den sozialen Netzwerken an Bedeutung gewonnen. Diverse Ansichten zur Corona-Pandemie und der damit verbundenen Politik sowie außen- und innenpolitischen Entscheidungen stießen nicht bei allen Usern auf Wohlwollen. Es gab hinterfragende Stimmen von Influencern, die in die Ecke der Querdenker sortiert wurden. Gleichermaßen traten auch Fürsprecher auf, die als systemtreu abgestempelt wurden. Ebenso zeigten sich Hardliner, die jegliches Bestehen einer Pandemie leugneten und keine andere Meinung zuließen. Die Anonymität des Internets hat eine neue Radikalität entstehen lassen. Häufig wurden Ansichten offen nach außen getragen und parteiische Werte veröffentlicht. Hassreden und Hasskommentare nahmen daraufhin zu.
Influencer-Marketing & Politik: So geht’s richtig!
Es gibt jedoch einige positive Beispiele, die zeigen: Politisches Influencer-Marketing ist möglich, wenn es den Richtlinien entspricht. Eines der besten Beispiele ist die Social-Media-Kampagne „Diesmal wähle ich“ zur Europawahl 2019.
Bei der Europawahl zuvor war die Wahlbeteiligung der jungen Zielgruppe sehr schlecht gewesen. Daher hatte das Europäische Parlament beschlossen, Influencer als Werbepartner für die Wahl 2019 zu gewinnen, um so vermehrt junge Menschen anzusprechen. Auf diese Weise setzte das EU-Parlament auf eine zeitgemäße Zielgruppenansprache und erreichte die jungen Wählerinnen und Wähler dort, wo sie sich bevorzugt aufhalten: in den sozialen Medien.
Gekleidet in einem Hoodie im Style der Europaflagge, machten Fashion- und Lifestyle-Influencer auf die anstehende Europawahl aufmerksam. Der Fokus wurde hier absichtlich auf Accounts gelegt, die nichts mit Politik zu tun haben, da sich die Communities von Accounts mit politischen Inhalten ohnehin meist politisch engagieren.
Auf ihren Kanälen Instagram, YouTube und Co. erklärten die Influencer, wie die EU und die Wahlen funktionieren, gaben Tipps zur persönlichen politischen Meinungsbildung, veranstalteten Online-Ratespiele, machten Straßenumfragen und integrierten ein Gewinnspiel.
Die Influencer sahen dies als ihre gesellschaftliche Pflicht an, denn auf diesem Wege konnten sie erreichen, dass Politik im Alltag der jungen Menschen eine größere Rolle spielt und sie sich ein umfassendes Bild zur aktuellen Politik machen konnten. Durch die Algorithmen der Netzwerke kann es leicht passieren, dass Nutzer in ihrer eigenen Blase leben, die sie von anderen Themen, wie etwa Politik, abschottet. Auch machten die Influencer auf spezifische relevante Themen wie Frauenrechte oder Umweltschutz aufmerksam. Dabei achteten sie aber stets darauf, neutral und unparteiisch zu berichten.
Die ganze Kampagne bekam unglaublich positive Resonanz, sorgte für einen intensiven Austausch und weckte gerade bei Erstwählern Interesse an der Wahl.
Eine zweite erfolgreiche politische Aktion war die TikTok-Kampagne „Brief ans Morgen“ für die Briefwahlen 2022 in Nordrhein-Westfalen. Die Kampagne lief im Namen der Demokratie. Sie hatte zum Ziel, junge Leute auf die Landtagswahlen in NRW hinzuweisen und Aufmerksamkeit auf die Briefwahlen zu lenken. Die Content Creators sollten ihren Briefumschlag für die Briefwahlen auf kreative und witzige Art und Weise in den Briefkasten werfen – je verrückter, desto besser. So sollten junge Follower animiert werden, ebenfalls an der Wahl teilzunehmen. Wie auch die Kampagne zur Europawahl wurde die Briefwahl-Kampagne sehr gut von den Communities angenommen und hat sich positiv auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt.
Diese Kampagnen beweisen: Influencer-Marketing funktioniert auch im politischen Kontext. Man muss es nur richtig machen.
Warum wir dafür brennen
Die sozialen Medien sind aus unserem Medienalltag nicht mehr wegzudenken. Dort ist eine Parallelwelt entstanden, die vor allem einflussnehmend ist. Ganz gleich, ob Produktwerbung oder politische Wertehaltungen: Sie erreichen viele Menschen. Die jüngere Generation liest kaum noch Zeitung oder schaut sich Nachrichten an. Aus diesem Grund bekommt Social Media als Informationskanal einen hohen Stellenwert.
Es ist durchaus möglich, Einfluss auf die Menschen zu nehmen, wenn die Informationsverteilung sorgfältig geschieht. Im Umkehrschluss sind die Plattformen auch bekannt dafür, vor allem unsichere Nutzer schnell in ihren Bann zu ziehen und im schlimmsten Fall zu radikalisieren.
Influencer müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden, dass sie einen großen Anteil zur Meinungs- und Wertebildung beitragen können, und sollten ihr Handeln auch darauf ausrichten.
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